»Wir sind Wüsten, Einöden. Die Wüste, das Experiment unserer selbst, ist unsere einzigartige Chance für alle in uns hinterlegten Kombinationen.«
— Gilles Deleuze/Claire Parnet, Dialoge
Durch Krieg und Gewalt versehrte Gebiete, Trümmerfelder hegemonialer Weltordnungen, soziale, ökologische Ödnisse, Wüsten der Ausbeutung und Überproduktion beherrschen unsere Gegenwart. Und nicht nur materiell, auch geistig scheint unsere Welt auf erodierten Terrains, verschwendeten Ressourcen zu stehen: Verbraucht, verloren, verwüstet sind nicht nur unsere materiellen Lebensgrundlagen angesichts von Klimawandel und Artensterben. »Wasted Grounds« sind auch die Gebiete seelischer Übernutzung und Erschöpfung, jene uneingelösten Versprechen und gescheiterten Utopien, in deren fahlem Licht die Zerstörung natürlicher und sozialer Lebensräume als unbewusste Kehrseite unseres Denkens und Handelns erscheint.
Aber von welcher Basis aus neue Perspektiven entwerfen angesichts einer Permanenz der Krisen, der Fristen, die wir sehenden Auges verstreichen lassen, der Kipppunkte, die hinter uns liegen? Wie anderes vor- und darstellen, womit Bilder machen im Kernschatten der Katastrophe? Worauf aufbauen gefangen zwischen historischen Fluchten und Zukunftsangst?
Leben, denken, arbeiten »On Wasted Grounds« heißt: Wir müssen von den Ruinen, Trümmern, Un-Gründen und verbrauchten Reste ausgehen, weil Neues nirgendwo sonst als auf dieser einen Erde und an den Stätten ihrer sedimentierten Geschichte entstehen kann.
Kann es nicht gerade dort, wo nurmehr Verwüstung zu herrschen scheint, wo zivilisatorische Grundlagen brüchig, Lebensräume infolge ökologischer Katastrophen oder Kriege vernichtet werden, wo selbstverständlich geglaubte Wissensgründe erodieren, Raum für neue, ganz andere Anfänge geben? Kann nicht auf dem, was als wertloser Abfall oder blosses Residuum erscheint, wieder Leben erwachsen? Kann ein Beschreiben im Sinne eines Auflesens und Inventarisierens von Zerstörtem, eine Kartographie verlorener Terrains ein neues Verhältnis zu bislang unbekannten Sphären erschließen? Können die auf der Ausbeutung von Gründen aller Art beruhende territoriale Politiken nicht überwunden werden und neue Wege des Gemeinschaftlichen in den Blick kommen?
On Wasted Grounds versteht sich als ein fortlaufendes transdisziplinäres Recherche- und Ausstellungsprojekt, das konsequent zwischen den Disziplinen und Medien, unterschiedlichen Denk- und Darstellungsformen agiert. Es verschränkt wissenschaftliche Aufsätze und fiktionale Textformen, Interventionen aus Kunst und Forschung, architektonische Entwürfe und technologische Visionen, kritische Essays und spekulative Bildstrecken. Dieses anwachsende Magazin bildet eine globale Anordnung lokal gewonnener Perspektiven, die in neun Kapiteln zwischen divergierenden semantischen Polen unterschiedlichste Erfahrungsräume und Positionen aufeinander bezieht.
mit
Aàdesokan, Ixmukané Aguilar, Ghayath Almadhoun, Mieke Bal, Stephen Barber, Priya Basil, Nikita Dhawan, Ibou Diop, Alexander García Düttmann, Logan February, Christian Filips, Liliana Gómez, Julian Hetzel, Inkasso, Sandra Jasper, Eckardt Lindner, Federico Luisetti, Tom McCarthy, Mark Mushiva, Silvia Noronha, I.V. Nuss, Kinga Ötvös, Lucas Pohl, Dorota Sajewska, Jacob Stoy, Daniel Tyradellis, Ines Weizman, Arkadi Zaides and others.
Künstlerische Leitung: Marie Glassl
Mit freundlicher Unterstützung des