Zonen der Auslöschung sind Mahnmale der Gewalt, aber auch Orte materieller Zeugenschaft, Palimpseste die entziffert aber auch wieder überschrieben werden können. Kein noch so vernichtender Akt der Vernichtung vermag sämtliche Täterspuren und frühere Schichten sedimentierter Geschichte zu tilgen. Wo aber menschliche Erinnerung durch Tod oder Traumatisierung unmöglich geworden ist, können nur noch die Zeichen der Gewalt selbst aufgelesen und dokumentiert werden. Schlachtfelder, Stätten der Vertreibung oder Zonen umweltlicher Zerstörung sind neben Orten der Trauer daher stets auch unverzichtbare Speicher und Zeugnisse von Erinnerung. Forensischen close readings unterzogen, können akribisch angelegte Archive helfen, das Geschehene dem Vergessen zu entreißen und den Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen.
Lassen sich künstlerische Mnemotechniken und wissenschaftliche Forschung unter einem Wahrheitsbegriff versammeln? Wie eröffnen kriminalistische Spurensuche, Reenactments oder spekulative Erzählungen Horizonte jenseits von Krieg und Zerstörung? Wo verläuft die Grenze zwischen Sichtbarmachung und Ästhetisierung? Was sind die interpretativen Grundlagen, um aus materiellen Spuren plausible Gegenerzählungen zu eröffnen und welche Prozesse können zu einer gerechten Aufarbeitung führen, die auch andere Zukünfte vorstellbar macht?