Blinde Zerstörung und mythische Kontemplation, romantische Schaulust und koloniale Gewalt waren Phänomene einer Gegenwart. Auch heute fehlt es nicht an Ruin Porn: Großformatige Fotografien schwindender Gletscher und verfallender Kulturstätten, Panoramen von Raubbau verwüsteter Landstriche drängen sich neben biedermeierlichen Herbarien ausgerotteter Pflanzen am Kunstmarkt. Es scheint, als entspräche dem Zwang zur Zerstörung – noch des Vergangenen – ein ruinöses Begehren nach dem Unwiederbringlichen, als würde die Gegenwart sich erst in der phantasmagorischen Wiederkehr eines in alle Zukunft Zerstörten ihrer selbst bewusst werden können. Ruinen und historische Stätten figurieren derart in einem räumlichen wie temporalen Zwischenraum. Sie stehen für eine noch in der Zerstörung fortdauernde Vergangenheit, sind Chiffren der Heimsuchung einer verwirkten Zukunft.
Ikonoklasten und Schänder heiliger Orte zielen währenddessen mit aller Gewalt auf eine überhistorische Auslöschung: eine unendliche Entleerung, die nie wieder gefüllt, ein Verlust, der nie ersetzt oder aufgehoben werden kann. Mit Raubgut vollgestopfte Museen oder touristisch überflutete Kult-Stätten wiederum können offensichtlich nicht anders, als sich unaufhörlich von gewaltsamer Profanisierung zu nähren. Doch wie diesen Klammergriff zeitlicher Ekstasen unterbrechen? Ist mit Konzepten wie Appropriation und Restauration, Provenienz und Eigentum eine wahrhaft kollektive (Wieder-)Aneignung überhaupt denkbar? Müsste diese nicht auch Verdrängtes, nie Präsentes oder Verworfenes einbegreifen? Wo liegt der Horizont von Restitution, wo der Nullpunkt von Kultur – und wie lassen sich diese ohne Geschichtsvergessenheit auf die Zukunft hin öffnen? Wie sähe eine Archäologie aus, die sich um inkommensurable Schichten sorgte, wie eine Architektur, die Figuren gewaltsamer Inbesitznahme in Spolien polyphoner Inklusion transformierte? Gibt es Formen von Gabe, die in eine geteilte a-topische – weil von originären Gründen gelöste – Gegenwart führen könnten?